Was spricht aber, angesichts des im vorhergehenden Kapitel Gesagten,
dagegen, daß unsere Bruderschaft diesen Vogel nicht etwa zu einem
Jubiläum oder als Dank für die Verteidigung der Heimat erhielt, sondern
daß es sich um einen (besonders schönen und wertvollen) Königsschild
handelt? Das würde bedeuten, daß
Herzog Johann Wilhelm von Jülich, Kleve
und Berg (oder ein von ihm ernannter Stellvertreter) in
Flittard den Vogel von der Stange schoß.
So wie in der Folgezeit, spätestens aber seit 1666, alle Flittarder
Schützenkönige zur Erinnerung an ihren Königsschuß einen Silberschild
stifteten, auf dem der jeweilige Name und das Königsjahr eingraviert
sind, so stiftete der Herzog eben diesen kostbaren Silbervogel. Leider
läßt sich für diese Theorie jedoch kein Beleg mehr finden. Auch nicht
im Nordrhein-Westfälischen Hauptstaatsarchiv in
Düsseldorf.
Bei den fürstlichen Pfarrvisitationen des 16. Jahrhunderts haben die im Auftrag des Herzogs von Jülich-Berg visitierenden Kommissare in den Pfarreien nur nach den geistlichen Bruderschaften gefragt. Bei der Visitation der Kirche zu Flittard , im Jahre 1579, heißt es:
''Beide Kirchen haben keine Vikarien und
-Bruderschaften''4.2. Diese
Feststellung schließt das Vorhandensein einer Schützen-Gesellschaft
natürlich keineswegs aus. Die damalige landesherrliche Verwaltung hatte
aber keine Veranlassung, auch diese auf freiwilliger Basis organisierten
Schützen zu beauftragen.
Um das Jahr 1594 dürfte in Flittard also eine reine
Schützen-Gesellschaft
bestanden haben, der Vorläufer unserer heutigen
Schützenbruderschaft.
Nach dem Vogel aus dem Jahre 1594 klafft eine große Lücke bis 1666, ehe wieder ein Schützenkönig schriftlich belegt ist. Es ist Theodorus Clef, dessen Silberschild noch erhalten ist. Abgesehen von der Zeit des 30-jährigen Krieges werden die Flittarder aber auch zwischen 1594 und 1666 zumindest zeitweise ihren König ausgeschossen haben, denn außer den seit 1666 vorliegenden und eindeutig zuzuordnenden Königsschildern enthält unser Silberschatz noch 11 durchlochte Pfennige (wovon 5 heute in Stammheim aufbewahrt werden), welche früher als Schmuck an einem Silberkettchen unter dem Königsvogel hingen. Es waren ehemalige gangbare Silbermünzen, die die Könige der Überlieferung zufolge anstelle teurer Schilder stifteten. So haben wir vermutlich im Zeitraum von 1594 - 1618 und von 1648 - 1666 elf Könige gehabt, deren Namen nicht bekannt sind. Die Inschriften der 6 in Flittard verbliebenen Pfennige lauten:
Außerdem gehören zum Silberschatz der Bruderschaft noch 4 Königsschilder, die zwar den Namen des Schützenkönigs enthalten, nicht jedoch das entsprechende Königsjahr.
Diese Schilder tragen folgende Namen:
Nachforschungen im Tauf-, Trau- und Sterbebuch der Flittarder
Pfarre, im Nordrhein-Westfälischen Personenstandsarchiv Rheinland
in Brühl, haben ergeben, daß alle 4 Schilder mit hoher
Wahrscheinlichkeit jünger sind als der nachweislich älteste Schild aus dem
Jahre 1666.
zu a)
Am 30.6.1703 wird Engel
Rheindorf
als Besitzer eines kurmudpflichtigen Gutes
aufgeführt4.3.
Dabei wird es sich wohl um den Namensträger auf dem Königsschild
handeln. Da jedoch weder er noch Anton Rheindorf
im Sterbebuch der Pfarre Flittard verzeichnet sind
(dieses wird seit 1695 geführt), ist zu vermuten, daß
Engel(bert) Rheindorf
hier zwar Pächter war, jedoch woanders starb. Wahrscheinlich stammt der
Schild aus der Zeit zwischen 1666 und 1676.
zu b)
Johannes Schlimgen starb am
5.10.1729. Aufgrund der Ähnlichkeit
mit anderen Schildern würde es gut in die Lücke (s. nachfolgende
Königsliste) von 1693/94 passen.
zu c)
Aus den Aufzeichnungen von Jakob
Herckenrath, Pfarrer von
Flittard 1830 - 1842, wissen wir, daß Jakob
Pullem
(Herckenrath schreibt
Pollen) den Königsvogel am 1.8.1728 abschoß.
zu d)
Auch diesen Schild können wir ziemlich genau zuordnen:
Jakob Obladen
geb. 27.12.1705,
gest.4.2.1745
Peter Fischer
geb. 27.4.1711,
gest. 6.6.1758
Dieser Schild könnte aus der Zeit zwischen 1738 und 1744 stammen, aus der uns übrigens auch ein Schild eines Königs (Lorenz Heuser) fehlt.