Rückblick. Es ist Montag, der 1. Juli 1996. Schützenfestmontag. Hin
und wieder gibt es einen kleinen Schauer, sonst ist das Wetter gut. Um
18 Uhr startet Kommandant Peter Kissel mit Schriftführer Winfried
Kühle das Schießen auf den Königsvogel. Insgesamt 17 Schützen haben
ein Los genommen. Der Vogel ist aus Pappelholz. Das Stück stammt von
den Pappeln, die hinter dem Hochstand stehen und im Frühjahr stark
zurückgeschnitten wurden. Auf dem Vorderteil ist ein Buckel aus
Aststücken. Pappelholz gilt aber als gutes Vogelholz, schon viele
Vögel waren aus Pappel. Viele Schützen, auch ich, geben dem Vogel
keine 100 Schuß. Es soll anders kommen. Kommandant Peter Kissel läßt
praktisch ohne Pause schießen. Einige Schützen nutzen aber die 5
Minuten Zeit aus, die sie satzungsgemäß nach ihrem Aufruf warten
dürfen. Im Schnitt kracht alle 69 Sekunden ein Schuß. Ein sehr hohes
Tempo. Auch ein Schauer, der alle Zuschauer unter die Dächer
vertreibt, hält nicht lange auf. Bernd Hammes hat wieder seine Kamera
aufgebaut und überträgt das Bild des Vogels vor den
Hochstand. Schützen, Experten und Laien nutzen das Fernsehbild zur
angeregten Diskussion. Wohin halten? Welche Munition? Wer hat wo
getroffen? Der Vogel kassiert viele, viele Schüsse, ohne sich zu
bewegen. Er geht etwas auseinander und franst aus, es fallen aber
keine großen Stücke; für Pappelholz ungewöhnlich. Als letzter Schütze
im 18. Durchgang gibt Adjutant Bernd Roggendorf den 228. Schuß ab. Der
Vogel ruckt, aber er hält noch. ''Ein wunderbarer Treffer'', kommentiert
Peter Kissel.
Hans-Peter Roggendorf schießt dann als erster Schütze im
19. Durchgang. Er gibt somit Schuß 229 auf den Vogel ab. Es ist 22:20
Uhr. Der Vogel rutscht an der Stange herunter und bleibt auf dem
Jutesack, mit dem die Stange umwickelt ist, hängen. Großer Jubel, aber
auch sofort große Diskussion. Ist der Vogel nun abgeschossen und
Hans-Peter Roggendorf König oder nicht? Peter Kissel bremst zunächst,
er verweist auf die Schießkommision, die aus ihm, dem Adjutanten
(Bernd Roggendorf), dem Schriftführer (Winfried Kühle) und dem
Oberschießmeister (Wolfgang Hübert) besteht. Die Schießkomission, die
vom Vorstand bestimmt ist, hat die satzungsgemäße Aufgabe, auf die
ordnungsgemäße Durchführung des Schießens zu achten. Sie sorgt dafür,
dass alle Schützen unter denselben Bedingungen schießen können, sie
überprüft, ob der Vogel noch im Schacht sichtbar und somit gut zu
treffen ist, und ob das Schießen nicht wegen Dunkelheit abzubrechen
ist. Wolfgang Hübert, der Oberschießmeister, der auch der nächste
Schütze ist, nimmt auf Stand Fünf Platz und stellt fest, dass der
Vogel nicht mehr anvisiert werden kann, und demnach nicht mehr
ordnungsgemäß abzuschießen ist. Peter Kissel erklärt somit das
Schießen für beendet, und Hans-Peter Roggendorf ist
Schützenkönig. Großer Jubel auf dem Schießstand, große Diskussionen
bei den Zuschauern. Die meisten Zuschauer kennen die Gründe der
Beendigung nicht und verstehen nicht so ganz, warum es nicht
weitergeht. Der Vogel ist ja noch zu sehen. Erst als Hochstandschütze
Herbert Paffrath die Ruthe (Vogelstange) herunter lässt, kommt der
Vogel von oben. Aufklärung über die Beendigung des Schießens und die
Gründe gibt dann Brudermeister Peter Schmitz am Hochstand und etwas
später in der Schützenhalle, wo König Hans-Peter von seiner Frau
Christine gekrönt wird.
Der Brudermeister der Stammheimer, Johannes Schiffgen, vergleicht in seinem Grußwort das Schießen mit dem von 1891, wo der Plückvogel zum Anlass der Trennung der Stammheimer und Flittarder Bruderschaft wurde. Diesmal sei es aber, anders als damals, als das Stammheimer Vorstandsmitglied Heinrich Winand den letzten Span des Vogel von der Rute riss, ein reguläres Schießen gewesen und Hans-Peter Roggendorf sei völlig zurecht König geworden. Es gibt viel Beifall von den Flittarder Schützen für diese Stellungnahme. Als kleine Randnotiz sei hier nur nochmals angemerkt, dass Johannes Schiffgen sich lediglich in der Jahreszahl 1891 vertan hat. Wie dem vorherigen Artikel entnommen werden kann, fand 1891 die Trennung der Bruderschaften statt, der Plückvogel aber 1890!